Rhythmus, Vibration und Raster
Ab der Mitte der 1950er Jahre betreibt Leo Breuer Ateliers in Paris und Bonn, ist in der Kunstszene der französischen Hauptstadt ebenso beheimatet wie in der des Rheinlandes und pflegt an beiden Orten rege Kontakte zu Künstlerkollegen.
Seine abstrakte Bildsprache entwickelt er konsequent fort, löst sie mehr und mehr vom Einfluss seines Freundes Herbins und dessen Umkreis und von einer flächigen Anordnung geometrischer Elemente. Breuer findet dabei seinen ganz eigenen Standort als absichtsvoller Grenzgänger zwischen konstruktiver Strenge, Theorie und Kalkül einerseits und spielerisch poetischer Gestaltungslust, Emotion und der intuitiven Ausdruckskraft der Farben andererseits. Seine Bildwelten bedienen sich konstruktiv-konkreter Formensprache und Gestaltungsprinzipien doch im gleichen Moment spiegeln sie stets die Suche des Künstlers nach dem Wesen der Dinge, nach dem Ausdruck des visuellen und inneren Erlebens.
Die Themen Rhythmus, Bewegung und Raum beschäftigen Breuer in diesen Jahren besonders. Fast musikalisch rhythmisiert er In Arbeiten wie „Rhythmus bogenlinig“ oder“ Diagonal-Konstruktiv“ die Bildfläche mit der Modifikation wiederkehrender Formen und der Wahl der Farben. Andere Werke loten die Frage aus, wie im Bild Räumlichkeit und Bewegtheit ohne klassische Perspektivkonstruktionen sondern allein durch Farben, Linien, Strukturen und Anordnungen entstehen können. Breuers künstlerische Lösung sind die Vibrationen und Faltbilder, in denen die vom Künstler mit der Hand gezogene, schraffurartige Linienstruktur zusammen mit den Farbkontrasten und Farbabstufungen das Bild im Auge des Betrachters vibrieren und sich räumlich entwickeln lassen. Mitte der 60er Jahre verdichten sie sich zu rasterartigen Anordnungen.
Immer wieder experimentiert Leo Breuer mit neuen Bildelementen und Kompositionen, findet neue Möglichkeiten, im Ungegenständlichen das Wesen von Dualität und Einheit, von Raum, Tiefe, Klang, Licht und Bewegung umzusetzen. Dabei bleibt sein Konstruktivismus undogmatisch: zwischen Reihen konsequent strenger Arbeiten entstehen immer wieder fast spielerische Erkundungen und Werke, die - besonders in der Farbwahl - mit vermeintlich grundsätzlichen Axiomen des traditionellen Konstruktivismus brechen.